Gaia

Die Vermessung der Milchstraße
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Bild: ESA/ATG medialab; Hintergrundbild: ESO/S. Brunier

Die ESA Weltraummission Gaia erstellt die genaueste Karte der Milchstraße, indem sie Positionen, Distanzen, Raumbewegungen und physikalische Parameter der Sterne unserer Galaxie ausmisst. Dafür besitzt Gaia ein astrometrisches Feld, ein blaues und ein rotes Photometer und einen Spektrographen. Die Auswertung der Daten wird durch eine eigens erstellte Software Pipeline durchgeführt und ist Aufgabe des Data Processing and Analysis Consortium (DPAC).

Am 3. Dezember 2020 hat das DPAC den größten astronomischen Katalog veröffentlicht, der derzeit existiert: den Gaia Early Data Release 3 (EDR3). Mit 1,8 Milliarden präzisen Stern-Positionen und Bewegungen der Himmelsobjekte hilft er, astrophysikalische Fragestellungen über den Ursprung und die Evolution unserer Heimatgalaxie zu beantworten.

Das AIP ist seit 2007 im DPAC engagiert. Der AIP-Beitrag zum DPAC konzentriert sich auf drei Themengebiete der Koordinationseinheiten 3, 6 und 9:

1.) Hintergrundkorrektur der Spektren

Gaia's Radialgeschwindigkeits-Spektrograph (RVS) ist ein Spektrograph ohne Spalt, der alles Licht, das in eines der beiden Teleskope fällt, auf den Detektoren abbildet. Daher können nebeneinander liegende Sterne Spektren erzeugen, die sich auf dem Detektor überlagern. Sofern alle beteiligten Spektren ein Auslesefenster zugewiesen bekommen, werden die Lichtanteile der Spektren mit Hilfe des Deblending Moduls auseinander gerechnet. Wenn aber eines der beteiligten Spektren nicht ausgelesen wurde, trägt es zum Hintergrundlicht der ausgelesenen Spektren bei, und die Hintergrundkorrektur wird zu einer nicht trivialen Aufgabe.

Die Hintergrundkorrektur der Spektren ist Aufgabe des AIP. Um die Lichtverteilung eines nicht beobachteten Sternes auf dem Detektor zu berechnen hat das AIP das Pointsource Background Modul erstellt. Abhängig von der Verfügbarkeit von Informationen über die Quelle kann dieses Modul das Licht mehr oder weniger genau berechnen. Im Idealfall benutzt es Helligkeit und Position des Sterns, ein nach physikalischen Parametern ausgewähltes Templatespektrum, die Linienverbreiterungsfunktion, und die Radial- und Rotationsgeschwindigkeit zur Verschiebung und Verbreiterung der Linien.

Neben dem Hintergrund punktförmiger Quellen leidet das RVS unter einem starken Streulicht, das 40 mal stärker ausfällt als erwartet. Für diese Korrektur hat das AIP das Softwaremodul Diffuse geschrieben. Es misst das diffuse Hintergrundlicht in den leeren Randbereichen schwacher Sternspektren, nachdem unzuverlässige Samples, wie defekte, gesättigte, gestörte oder belichtete Samples entfernt wurden. Aus den einzelnen Messungen wird eine zweidimensionale Karte des Streulichts in Abhängigkeit von der Sonnenphase und der Position auf dem CCD Chip erstellt. Die Streulichtkarten werden über einige Satellitenrotationen aufintegriert und interpoliert, so dass für jeden Stern der Level des diffusen Hintergrundlichtes aus der nächstgelegenen Karte abgelesen werden kann.

2.) Pipeline für Dichte Himmelsregionen

Bereits im Sommer 2014 wurde vom DPAC entschieden, dass Gaia neun besonders dichte Regionen des Himmels (crowded fields, CF) mit Service Interface Function (SIF) Bildern des Sky Mappers (SM) beobachten sollte. Diese Bilder blieben lange unbeachtet, bis das DPAC 2019 eine neue Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer Software Pipeline für ihre Auswertung ins Leben rief. Das AIP ist hierbei stark involviert, da es sowohl den Hauptentwickler als auch das Management der neuen SIF CF Gruppe stellt.

Mit dem Softwaremodul SIF CF IPD (image parameter determination) werden neue Lichtquellen in den SM Bildern detektiert. Sobald alle Bilder einer Region ausgewertet wurden, kreiert das Crossmatch Modul neue Gaia Sterne aus den Detektionen, die die Qualitätskriterien erfüllen. Für diese neuen SIF CF Sterne werden mit angepassten Versionen der Standard Gaia Pipeline Astrometrie und Photometrie bestimmt.

Erstes Ziel der SIF CF Pipeline ist die Verbesserung der Vollständigkeit der Gaia Kataloge in den ausgewählten neun Regionen, die Kugelsternhaufen, die Magellanschen Wolken und das Zentrum der Milchstraße enthalten. Zusätzlich werden die neuen SIF CF Sterne auch für das Erstellen präziserer Umgebungskarten genutzt, so dass auch die Standard Gaia Daten in diesen Regionen verbessert werden.

3.) Gaia Daten Archiv

Die dritte Aufgabe des AIP betrifft die Veröffentlichung der Gaia Kataloge: Das AIP ist ein offizielles Gaia Partner Daten Center und stellt der weltweiten Community alle bisher veröffentlichen Gaia Datenkataloge zur Verfügung. Die vollständigen Gaia Kataloge finden sich direkt auf Gaia@AIP.

Das AIP bietet ein Web Interface zur Erkundung und Visualisierung der Daten an, das auch die Speicherung von Datenbankabfragen und Suchen ermöglicht. Die Ergebnisse können geteilt und von einer Nutzergruppe gemeinsam bearbeitet werden. Die AIP Arbeitsgruppen werden durch Crossmatches noch nicht veröffentlichter Kataloge unterstützt. Der Crossmatch mit öffentlichen Katalogen wie dem RAVE Katalog stehen allen Nutzern offen. Das AIP Gaia Archiv beinhaltet den StarHorse Katalog und Service Tabellen wie die Gaia EDR3 Koordinaten in der J2000 Referenzepoche. Eine Besonderheit des AIP Gaia Archivs ist die umfassende Nutzerbetreuung.

Förderung: DLR, 50QG1904

Letzte Aktualisierung: 11. November 2021