Ein kleiner Happen für unsere Milchstraße

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Visualisierung des Aquarius-Stroms und seiner Lage in der Milchstraße.

Bild: AIP/A. Khalatyan
2. Februar 2011 //

Potsdamer Astrophysikerin findet neue Überreste einer Nachbargalaxie in unserer Heimatgalaxis.

Ein internationales Team von Astronomen um Mary Williams vom Astrophysikalischen Institut Potsdam hat einen bis dato unbekannten Sternstrom in unserer Milchstraße entdeckt: den „Aquarius-Strom“, benannt nach dem Sternbild des Wassermanns (lat.: Aquarius). Bei dem Sternstrom handelt es sich um die Überreste einer kleineren Galaxie in unserer Nachbarschaft, die vor 700 Millionen Jahren von der Schwerkraft der Milchstraße auseinander gerissen wurde. Der Fund ist Ergebnis der Vermessung der Geschwindigkeiten von 250.000 Sternen mit dem am Australian Astronomical Observatory stationierten RAVE Survey.

„I have a stream“: mit diesen Worten stellte die 33-jährige, neuseeländische Wissenschaftlerin ihre Entdeckung begeistert dem Fachpublikum einer internationalen Konferenz vor. Denn der Aquarius-Strom war durchaus nicht leicht zu finden. Im Gegensatz zu fast allen bekannten Strömen befindet er sich innerhalb der galaktischen Scheibe. Dort versperrt die hohe Konzentration der Sterne der Milchstraße den Blick. Der Strom als lokalisierte, geometrische Form ist im Gesamtbild zunächst gar nicht zu erkennen. „Der Strom liegt direkt vor unserer Haustür, und doch konnten wir ihn nicht sehen“, so Williams.

Mit RAVE hat die Astronomin nun erstmals die Radialgeschwindigkeiten von 12.000 Sternen in der Region vermessen. So fand sie heraus, dass sich 15 Sterne in ihrem Geschwindigkeitsmuster von den anderen unterscheiden und mit Relativgeschwindigkeiten von bis zu 720.000 km/h durch die rotierende Scheibe der Milchstraße hindurch schießen. Der Vergleich der Sternparameter mit Simulationen zeigte, dass die Sterne als Teil eines größeren Sternstroms ursprünglich von einer Nachbargalaxie stammen. Diese traf, von der Schwerkraft der Milchstraße angezogen, vor etwa 700 Millionen Jahren auf die Milchstraße, wurde auseinandergerissen und formte aufgrund der Dynamik schließlich einen Sternstrom. Damit ist der Aquarius-Strom ein besonderer und vergleichsweise sehr junger Strom. Andere bekannte Ströme sind Milliarden von Jahre alt und in den Außenbereichen der Milchstraße lokalisiert.

Die besondere Methode, die mit Hilfe des RAVE Surveys zur Entdeckung des Sternstromes führte, lässt die Astronomen auf viele weitere Entdeckungen dieser Art hoffen. Bis 2012 soll RAVE die Charakteristika von bis zu einer Million Sterne unserer Milchstraße vermessen haben. Williams ist bereits seit dem Projektstart Teammitglied; am AIP leitet sie seit 2007 die Datenaufarbeitung.

„Mit RAVE wollen wir die Entstehungsgeschichte unserer Milchstraße verstehen“ erläutert Matthias Steinmetz, der Projektleiter der multinationalen RAVE-Kollaboration am Astrophysikalischen Institut Potsdam. „Wir wollen wissen, wie häufig solche Verschmelzungen mit Nachbargalaxien in der Vergangenheit vorgekommen sind und welche wir in Zukunft zu erwarten haben.“

Sicher ist: in etwa drei Milliarden Jahren steht der Milchstraße die nächste große Kollision mit der Andromeda-Galaxie bevor – wenn ihr nicht sogar eine der in den letzten Jahren entdeckten Zwerggalaxien in nächster kosmischer Nachbarschaft zuvorkommt.

RAVE ist ein multinationales Projekt, an dem sich Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Slowenien und den USA beteiligen. Die Finanzierung von RAVE, die einen umfangreichen Zugang zum Teleskop und Instrument ermöglicht, wird von den teilnehmenden Institutionen und von den jeweiligen nationalen Organisationen zur Forschungsförderung geleistet.

Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik. Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 87 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.

Weitere Informationen

Williams et al., Astrophysical Journal, Issue 728-2, 2011.

DOI: https://doi.org/10.1088/0004-637X/728/2/102

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Visualisierung des Aquarius-Stroms und seiner Lage in der Milchstraße.

Bild: AIP/A. Khalatyan
2. Februar 2011 //

Potsdamer Astrophysikerin findet neue Überreste einer Nachbargalaxie in unserer Heimatgalaxis.

Ein internationales Team von Astronomen um Mary Williams vom Astrophysikalischen Institut Potsdam hat einen bis dato unbekannten Sternstrom in unserer Milchstraße entdeckt: den „Aquarius-Strom“, benannt nach dem Sternbild des Wassermanns (lat.: Aquarius). Bei dem Sternstrom handelt es sich um die Überreste einer kleineren Galaxie in unserer Nachbarschaft, die vor 700 Millionen Jahren von der Schwerkraft der Milchstraße auseinander gerissen wurde. Der Fund ist Ergebnis der Vermessung der Geschwindigkeiten von 250.000 Sternen mit dem am Australian Astronomical Observatory stationierten RAVE Survey.

„I have a stream“: mit diesen Worten stellte die 33-jährige, neuseeländische Wissenschaftlerin ihre Entdeckung begeistert dem Fachpublikum einer internationalen Konferenz vor. Denn der Aquarius-Strom war durchaus nicht leicht zu finden. Im Gegensatz zu fast allen bekannten Strömen befindet er sich innerhalb der galaktischen Scheibe. Dort versperrt die hohe Konzentration der Sterne der Milchstraße den Blick. Der Strom als lokalisierte, geometrische Form ist im Gesamtbild zunächst gar nicht zu erkennen. „Der Strom liegt direkt vor unserer Haustür, und doch konnten wir ihn nicht sehen“, so Williams.

Mit RAVE hat die Astronomin nun erstmals die Radialgeschwindigkeiten von 12.000 Sternen in der Region vermessen. So fand sie heraus, dass sich 15 Sterne in ihrem Geschwindigkeitsmuster von den anderen unterscheiden und mit Relativgeschwindigkeiten von bis zu 720.000 km/h durch die rotierende Scheibe der Milchstraße hindurch schießen. Der Vergleich der Sternparameter mit Simulationen zeigte, dass die Sterne als Teil eines größeren Sternstroms ursprünglich von einer Nachbargalaxie stammen. Diese traf, von der Schwerkraft der Milchstraße angezogen, vor etwa 700 Millionen Jahren auf die Milchstraße, wurde auseinandergerissen und formte aufgrund der Dynamik schließlich einen Sternstrom. Damit ist der Aquarius-Strom ein besonderer und vergleichsweise sehr junger Strom. Andere bekannte Ströme sind Milliarden von Jahre alt und in den Außenbereichen der Milchstraße lokalisiert.

Die besondere Methode, die mit Hilfe des RAVE Surveys zur Entdeckung des Sternstromes führte, lässt die Astronomen auf viele weitere Entdeckungen dieser Art hoffen. Bis 2012 soll RAVE die Charakteristika von bis zu einer Million Sterne unserer Milchstraße vermessen haben. Williams ist bereits seit dem Projektstart Teammitglied; am AIP leitet sie seit 2007 die Datenaufarbeitung.

„Mit RAVE wollen wir die Entstehungsgeschichte unserer Milchstraße verstehen“ erläutert Matthias Steinmetz, der Projektleiter der multinationalen RAVE-Kollaboration am Astrophysikalischen Institut Potsdam. „Wir wollen wissen, wie häufig solche Verschmelzungen mit Nachbargalaxien in der Vergangenheit vorgekommen sind und welche wir in Zukunft zu erwarten haben.“

Sicher ist: in etwa drei Milliarden Jahren steht der Milchstraße die nächste große Kollision mit der Andromeda-Galaxie bevor – wenn ihr nicht sogar eine der in den letzten Jahren entdeckten Zwerggalaxien in nächster kosmischer Nachbarschaft zuvorkommt.

RAVE ist ein multinationales Projekt, an dem sich Wissenschaftler aus Australien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, den Niederlanden, Slowenien und den USA beteiligen. Die Finanzierung von RAVE, die einen umfangreichen Zugang zum Teleskop und Instrument ermöglicht, wird von den teilnehmenden Institutionen und von den jeweiligen nationalen Organisationen zur Forschungsförderung geleistet.

Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik. Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 87 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.

Weitere Informationen

Williams et al., Astrophysical Journal, Issue 728-2, 2011.

DOI: https://doi.org/10.1088/0004-637X/728/2/102

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022