eROSITA – erster Blick ins heiße Universum

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Abbildung 1: Unsere Nachbargalaxie, die Große Magellansche Wolke, beobachtet in mehreren Einzelaufnahmen mit allen sieben eROSITA-Teleskopmodulen am 18. und 19. Oktober 2019. Die diffuse Emission stammt von dem heißen Gas mit Temperaturen von einigen Millionen Grad zwischen den Sternen der Galaxie. Die kompakten, nebulösen Strukturen im Bild sind hauptsächlich Supernova-Überreste. Die prominenteste, SN1987A, befindet sich in der Bildmitte als sehr helle Quelle, die aufgrund der großen Entfernung noch punktförmig erscheint.

Bild: F. Haberl, M. Freyberg, C. Maitra, MPE/IKI
22. Oktober 2019 //

Das deutsche Weltraumteleskop eROSITA veröffentlichte nun erste erstaunliche Bilder des heißen Universums. Mit allen sieben „Röntgenaugen“ nahm es einen seltenen Neutronenstern, die Große Magellansche Wolke und wechselwirkende Galaxienhaufen ins Visier.

Das im Juli erfolgreich gestartete Röntgenteleskop eROSITA (extended ROentgen Survey with an Imaging Telescope Array), das Hauptinstrument der russisch-deutschen Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG) Mission, hat nach mehr als drei Monaten Flugzeit nun seinen Orbit um den Lagrange-Punkt 2, der von der Sonne aus betrachtet 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde liegt, erreicht. Von hier aus wird eROSITA mit einer Durchmusterung des gesamten Himmels beginnen, um eine Karte der heißen Strukturen im Universum zu erstellen, die aufgrund ihrer hohen Temperatur Röntgenstrahlung aussenden.

eROSITA besteht aus sieben einzelnen Teleskopmodulen, die das einfallende Röntgenlicht aus den heißen Quellen des Universums sammeln. Zunächst wurden nur einzelne Komponenten angeschaltet und nach und nach auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Einzelne Teleskopmodule zeigten zunächst Anomalien in der Elektronik. Als „Übeltäter“ steht die kosmische Strahlung im Verdacht, die kleine Änderungen in manchen Bausteinen ausgelöst haben könnte. Mittlerweile hat eROSITA nach einer kurzen Verzögerung und Tests seinen Betrieb aufgenommen.

In der vollen Konfiguration, betrieben also mit allen sieben Kameras, wurde eROSITA als erstes auf ein Objekt ausgerichtet, das vom AIP vorgeschlagen wurde (Abbildung 2). Projektleiter Axel Schwope erklärt, warum genau dieses ausgewählt wurde: „Es handelt sich um ein sehr exotisches Objekt, den Pulsar PSR B0656+14, einen isolierten und schnell rotierenden Neutronenstern, der wegen seiner geringen Größe und seiner enorm hohen Temperatur von mehr als einer Million Grad im Röntgenlicht besonders gut sichtbar ist.“ Derlei Objekte sind extrem selten, insgesamt sind nur ungefähr 30 bekannt. Neutronensterne wie PSR B0656+14, der bei einem Durchmesser von nur 30 km eine Masse von ca. anderthalb Sonnenmassen aufweist und sich in einer Sekunde dreimal um seine eigene Achse dreht, werden auch als makroskopische Atomkerne bezeichnet. Insgesamt beobachtete eROSITA den Pulsar über 28 Stunden. Gleichzeitig nahm auch der europäische Röntgensatellit XMM-Newton das Objekt ins Visier. Die kombinierte Beobachtung erlaubt neue, einzigartige Erkenntnisse über das Magnetfeld und die Temperaturverteilung des Neutronensterns. „Beide Instrumente spielen wunderbar zusammen. Dank der nun verfügbaren hohen spektralen und zeitlichen Auflösung erhalten wir zu jedem Moment der Umdrehung ein Spektrum, das Auskunft über die Extremphysik eines Neutronensterns gibt,“ erklärt Schwope.

In unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke, zeigt eROSITA nicht nur die Verteilung des diffusen, heißen Gases, sondern auch viele bemerkenswerte Details, wie die Überreste von Supernova-Explosionen wie zum Beispiel SN1987A (Abbildung 1). Die Beobachtungen mit eROSITA bestätigen, dass diese Quelle langsam schwächer wird, während sich die Stoßwelle der Sternexplosion, die 1987 beobachtet wurde, immer weiter in das interstellare Medium ausdehnt. Neben vielen anderen heißen Objekten in der Großen Magellanschen Wolke selbst, zeigt das eROSITA-Bild auch einige Vordergrundsterne aus unserer eigenen Milchstraße, sowie weit entfernte aktive Galaxienkerne, die durch das heiße Gas in unserer Nachbargalaxie hindurchscheinen.

Ein besonderer Schwerpunkt von eROSITA liegt auf der Entdeckung und Kartierung von Galaxienhaufen. Diese binden durch ihre Schwerkraft das für unsere Augen unsichtbare, extrem verdünnte Gas aus ihrer Umgebung. Durch Kompression und Verwirbelung erhitzt sich das Gas und strahlt intensiv im Röntgenbereich. Zu den ersten Aufnahmen zählen die interagierenden Galaxienhaufen A3391 und A3395 (Abbildung 3). Die beiden Haufen, die in den Bildern als große, elliptische Nebel erscheinen, erstrecken sich über Millionen von Lichtjahren und enthalten jeweils Tausende von Galaxien. Während seiner 4-jährigen Himmelsdurchmusterung wird eROSITA rund 100.000 Galaxienhaufen sowie mehrere Millionen aktive Schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien entdecken und kartieren.

Das deutsche Röntgenteleskop eROSITA wurde mit Unterstützung des DLR Raumfahrtmanagements vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) sowie den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Hamburg und Tübingen entwickelt und gebaut. Die Universitäten München und Bonn waren zudem an der Vorbereitung der wissenschaftlichen Auswertung beteiligt. Die Partnerinstitute haben Software für die Datenanalyse, Missionsplanung und Simulationen sowie Teile der Hardware erstellt. Das russische Partner-Institut ist das Space Research Institute IKI, Moskau; technisch verantwortlich für die gesamte Mission ist die Firma NPOL, Lavochkin Association, in Khimky bei Moskau, wobei SRG ein gemeinsames Projekt der russischen und deutschen Raumfahrtagenturen, Roskosmos und DLR, ist.

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 1. April 2021