Verschärfte Bedingungen für Leben auf anderen Planeten

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Auf dieser künstlerischen Darstellung umkreist ein Exomond einen Gasriesenplaneten.

Bild: NASA/JPL-Caltech
24. Februar 2011 //

Gezeiten verändern das Konzept der habitablen Zone.

Gezeiten können die habitable Zone um massearme Sterne unbewohnbar machen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam von Astronomen rund um René Heller vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) in einer jetzt in der Fachpresse veröffentlichten Studie.

Seit 1995 kennen Wissenschaftler Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, so genannte extrasolare Planeten, kurz: Exoplaneten. Auf der Suche nach Leben im Weltall sind insbesondere solche Exoplaneten von Interesse, die sich in der „habitablen Zone“ um einen Stern befinden, also diesen in einer solchen Entfernung begleiten, dass die Temperaturen auf der Planetenoberfläche das Vorkommen von Wasser ermöglichen. Flüssiges Wasser gilt als essenzielles Element für die Bildung von Leben. Bisher dachte man, dass vor allem die Entfernung des Planeten zu seinem Mutterstern und die atmosphärische Zusammensetzung des Planeten seine Oberflächentemperatur regeln. Heller und seine Kollegen studierten nun den Einfluss von Gezeiten, die zwischen massearmen Sternen und ihren potenziellen erdähnlichen Begleitern wirken. Diese Gezeiten, so fanden die Forscher, erfordern eine Modifikation des traditionellen Konzepts der habitablen Zone.

Dafür sind, so Heller, drei Effekte verantwortlich. Erstens bewirken Gezeiten eine Aufrichtung der planetaren Rotationsachsen gegen die Umlaufbahn auf 90 Grad und das bereits innerhalb weniger Millionen Jahre. Auf der Erde beträgt dieser Winkel dank des Bahndrehimpulses des Erdmonds konstante 23,5 Grad und verursacht unsere Jahreszeiten. Auf erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone um massearme Sterne gäbe es demnach keine Jahreszeiten. Das wiederum verursacht enorme Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator. Sie bewirken extreme Winde und langfristig ein Ausfrieren der Atmosphäre an den Polen und eine Evaporation am Äquator. Als zweiter Effekt tritt, ähnlich wie auf dem Jupitermond Io, welcher von globalem Vulkanismus gekennzeichnet ist, zwischen massearmen Sternen und terrestrischen Planeten in der habitablen Zone eine starke Gezeitenheizung auf. Sie vermag den Planeten umfassend unbewohnbar zu machen. Darüber hinaus veranlassen Gezeiten drittens, dass sich die Rotationsperiode von Exoplaneten in der habitablen Zone massearmer Sterne langfristig der Orbitperiode nähert. Das bedeutet, innerhalb eines Bahnumlaufs erfolgt dann nur eine Eigendrehung des Planeten. In diesem Zustand wird nur noch eine Hälfte des Planeten vom Stern bestrahlt und erhitzt, während die andere in ewiger Dunkelheit ausfriert.

Die habitable Zone um massearme Sterne ist also zumindest nicht komfortabel, womöglich nicht einmal habitabel. Aus beobachterischer Sicht galten bisher massearme Sterne als aussichtsreiche Kandidaten für habitable, planetare Begleiter. Die verheißungsvollen erdähnlichen Planeten, die mittlerweile um massearme Sterne gefunden werden und unter denen sich bereits die ersten Kandidaten in der traditionellen habitablen Zone befinden, müssen also nun auf Gezeiten analysiert werden.

Heller und seine Kollegen haben daher auch den kürzlich noch als ersten bewohnbaren Exoplaneten gefeierten Kandidaten Gl581g nochmals theoretisch untersucht. Hier finden sie, dass es auf Gl581g keine Jahreszeiten mehr geben dürfte und dass unter Annahme einer kreisförmigen Umlaufbahn die Länge eines Tages auf dem Planeten identisch mit der Länge eines Jahres wäre. Der Planet besäße somit kein flüssiges Oberflächenwasser und wäre höchstwahrscheinlich unbewohnbar.

Heller: „Generell sieht es für Leben auf erdähnlichen Planeten in der traditionellen habitablen Zone um massearme Sterne schlecht aus, wenn wir Gezeiten berücksichtigen. Auf der Suche nach einer zweiten Erde, so scheint es, müssen wir uns auch auf die Suche nach einer zweiten Sonne begeben.“

Weitere Informationen

Originalveröffentlichung

R. Heller, J. Leconte and R. Barnes, Tidal obliquity evolution of potentially habitable planets, Astronomy & Astrophysics 528, A27 (2011).

DOI: https://doi.org/10.1051/0004-6361/201015809

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Auf dieser künstlerischen Darstellung umkreist ein Exomond einen Gasriesenplaneten.

Bild: NASA/JPL-Caltech
24. Februar 2011 //

Gezeiten verändern das Konzept der habitablen Zone.

Gezeiten können die habitable Zone um massearme Sterne unbewohnbar machen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam von Astronomen rund um René Heller vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) in einer jetzt in der Fachpresse veröffentlichten Studie.

Seit 1995 kennen Wissenschaftler Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, so genannte extrasolare Planeten, kurz: Exoplaneten. Auf der Suche nach Leben im Weltall sind insbesondere solche Exoplaneten von Interesse, die sich in der „habitablen Zone“ um einen Stern befinden, also diesen in einer solchen Entfernung begleiten, dass die Temperaturen auf der Planetenoberfläche das Vorkommen von Wasser ermöglichen. Flüssiges Wasser gilt als essenzielles Element für die Bildung von Leben. Bisher dachte man, dass vor allem die Entfernung des Planeten zu seinem Mutterstern und die atmosphärische Zusammensetzung des Planeten seine Oberflächentemperatur regeln. Heller und seine Kollegen studierten nun den Einfluss von Gezeiten, die zwischen massearmen Sternen und ihren potenziellen erdähnlichen Begleitern wirken. Diese Gezeiten, so fanden die Forscher, erfordern eine Modifikation des traditionellen Konzepts der habitablen Zone.

Dafür sind, so Heller, drei Effekte verantwortlich. Erstens bewirken Gezeiten eine Aufrichtung der planetaren Rotationsachsen gegen die Umlaufbahn auf 90 Grad und das bereits innerhalb weniger Millionen Jahre. Auf der Erde beträgt dieser Winkel dank des Bahndrehimpulses des Erdmonds konstante 23,5 Grad und verursacht unsere Jahreszeiten. Auf erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone um massearme Sterne gäbe es demnach keine Jahreszeiten. Das wiederum verursacht enorme Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator. Sie bewirken extreme Winde und langfristig ein Ausfrieren der Atmosphäre an den Polen und eine Evaporation am Äquator. Als zweiter Effekt tritt, ähnlich wie auf dem Jupitermond Io, welcher von globalem Vulkanismus gekennzeichnet ist, zwischen massearmen Sternen und terrestrischen Planeten in der habitablen Zone eine starke Gezeitenheizung auf. Sie vermag den Planeten umfassend unbewohnbar zu machen. Darüber hinaus veranlassen Gezeiten drittens, dass sich die Rotationsperiode von Exoplaneten in der habitablen Zone massearmer Sterne langfristig der Orbitperiode nähert. Das bedeutet, innerhalb eines Bahnumlaufs erfolgt dann nur eine Eigendrehung des Planeten. In diesem Zustand wird nur noch eine Hälfte des Planeten vom Stern bestrahlt und erhitzt, während die andere in ewiger Dunkelheit ausfriert.

Die habitable Zone um massearme Sterne ist also zumindest nicht komfortabel, womöglich nicht einmal habitabel. Aus beobachterischer Sicht galten bisher massearme Sterne als aussichtsreiche Kandidaten für habitable, planetare Begleiter. Die verheißungsvollen erdähnlichen Planeten, die mittlerweile um massearme Sterne gefunden werden und unter denen sich bereits die ersten Kandidaten in der traditionellen habitablen Zone befinden, müssen also nun auf Gezeiten analysiert werden.

Heller und seine Kollegen haben daher auch den kürzlich noch als ersten bewohnbaren Exoplaneten gefeierten Kandidaten Gl581g nochmals theoretisch untersucht. Hier finden sie, dass es auf Gl581g keine Jahreszeiten mehr geben dürfte und dass unter Annahme einer kreisförmigen Umlaufbahn die Länge eines Tages auf dem Planeten identisch mit der Länge eines Jahres wäre. Der Planet besäße somit kein flüssiges Oberflächenwasser und wäre höchstwahrscheinlich unbewohnbar.

Heller: „Generell sieht es für Leben auf erdähnlichen Planeten in der traditionellen habitablen Zone um massearme Sterne schlecht aus, wenn wir Gezeiten berücksichtigen. Auf der Suche nach einer zweiten Erde, so scheint es, müssen wir uns auch auf die Suche nach einer zweiten Sonne begeben.“

Weitere Informationen

Originalveröffentlichung

R. Heller, J. Leconte and R. Barnes, Tidal obliquity evolution of potentially habitable planets, Astronomy & Astrophysics 528, A27 (2011).

DOI: https://doi.org/10.1051/0004-6361/201015809

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2022