Der Röntgenhimmel in voller Pracht

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Kosmisches Röntgenecho

Bild: AIP/G. Lamer, Davide Mella
19. Juni 2020 //

Das eROSITA-Weltraumteleskop hat einen neuen, detailreichen 360°-Blick auf die heißen und energetischen Prozesse im Universum eröffnet. Die neue Karte enthält mehr als eine Million Objekte, was die Anzahl der in der 60-jährigen Geschichte der Röntgenastronomie bekannten Röntgenquellen nahezu verdoppelt. Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) gelang die Entdeckung einer besonderen kreisförmigen Struktur, deren Entstehung ein Ausbruch eines Schwarzen Lochs vor 10.000 Jahren verursachte.

Innerhalb von 182 Tagen hat das Röntgenteleskop eROSITA seine erste Durchmusterung des gesamten Himmels abgeschlossen. Bei den meisten der neuen Quellen handelt es sich um aktive Galaxienkerne in kosmologischen Entfernungen, die das Wachstum von gigantischen Schwarzen Löchern über die kosmische Zeit markieren. Die Galaxienhaufen in der neuen Karte werden verwendet, um das Wachstum der kosmischen Strukturen zu verfolgen und kosmologische Parameter einzuschränken.

„Die Vollendung der ersten Durchmusterung erfüllt uns mit großer Zufriedenheit und einigem Stolz. Seit dem Jahr 2006 planen wir die Mission und die wissenschaftliche Ausbeute. Dass wir nach dem Start von eROSITA in weniger als 11 Monaten ein vollständiges, detailliertes Bild des Röntgenhimmels erstellen konnten, lässt uns euphorisch werden, was die volle wissenschaftliche Ernte anbelangt,“ so Dr. Axel Schwope, Projektleiter am AIP. „Die Himmelsdurchmusterungen mit eROSITA werden bis 2023 fortgesetzt und versprechen viele weitere interessante Entdeckungen im bisher relativ wenig erforschten Röntgenlicht des Weltalls.“

Dem AIP-Team gelang bereits eine besondere Entdeckung: ein geschlossener, leuchtender Ring. Dieser wurde entdeckt, als eROSITA im Februar 2020 eine Region in der südlichen Milchstraße beobachtete. Der Ring wird durch Streuung von Röntgenstrahlung in einer Staubwolke hervorgerufen. Als Ursprung der Röntgenstrahlung wurde eine schwache blaue Quelle im Zentrum des Rings ausgemacht. Vermutlich handelt es sich dabei um ein Schwarzes Loch, das von einem Begleitstern umkreist wird. Etwa ein Jahr zuvor hatten andere Röntgenteleskope das Objekt während eines enormen Helligkeitsausbruchs entdeckt. Für einige Wochen leuchtete das Objekt dabei 10000-fach heller als heute.

Zur Zeit der eROSITA-Beobachtung hatte seine Helligkeit wieder deutlich abgenommen. Allerdings wurde ein kleiner Teil der Röntgenstrahlung auf der mehrere tausend Jahre dauernden Reise beim Durchqueren einer Staubwolke gestreut. Durch diesen Umweg erreicht uns diese Strahlung wie ein Echo nun ein Jahr nach dem hellen Ausbruch. Die zusätzliche Lichtlaufzeit verursacht den leuchtenden Ring, dessen Größe weiter zunehmen wird, bevor er durch seine abnehmende Helligkeit langsam verschwindet. In der Vergangenheit wurden bereits einige wenige solcher Röntgenringe beobachtet, die neu entdeckte Struktur ist jedoch die bei weitem größte dieser Art. Sie erscheint am Himmel mit einer Größe von mehr als zwei Vollmonddurchmessern. Dr. Georg Lamer vom AIP, der das Objekt in den eROSITA-Daten entdeckte, hebt dessen Bedeutung hervor: „Abgesehen von der spektakulären Schönheit des eROSITA-Bildes hat diese Entdeckung auch einen hohen wissenschaftlichen Wert: Die Beobachtung des Rings könnte zu einer sehr präzisen Entfernungsbestimmung zu dem Schwarzen Loch führen.“

eROSITA ist ein Röntgenteleskop, das von einem deutschen Konsortium unter der Leitung des MPE Garching gebaut wurde und eines der beiden Teleskope auf dem russisch-deutschen Satelliten Spektrum-Röntgen-Gamma (SRG). Der Satellit startete von Baikonur aus am 13. Juli 2019 erfolgreich auf einer Proton-M-Rakete. eROSITA wird mehrere Röntgenaufnahmen vom gesamten Himmel durchführen. Das AIP hat zum Datenreduktions-Softwaresystem beigetragen, wobei der Schwerpunkt auf der Lagebestimmung und der Quelldetektion lag. Das Institut lieferte auch Flughardware für die Filterräder der Kamera und die gesamte Ausrüstung des mechanischen Bodensegments für die Integration und die Tests des Röntgeninstruments.

Weitere Informationen

Pressemitteilung MPE

http://www.mpe.mpg.de/7463606/news20200619

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 19. Februar 2021