„Astronomie hat mich bereichert“

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Dr. Arianna Di Cintio

Bild: AIP
15. Dezember 2017 //

Ein Interview mit Dr. Arianna Di Cintio, Karl Schwarzschild Fellow 2017, von der Schülerin Emma Dierkes, die ein Praktikum in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des AIP gemacht hat.

Was hat dich dazu inspiriert, Astrophysikerin zu werden?

Arianna Di Cintio: Schon als ich klein war, wollte ich entweder Astronautin oder Ballerina werden. In meinem Privatleben tanze ich immer noch gerne, vor allem argentinischen Tango, aber es ist nicht meine Karriere. Und ich habe festgestellt, dass ich zu klaustrophobisch bin, um Astronautin zu werden. Also habe ich mich entschieden, Astronomin zu werden. Da gab es eine bestimmte Situation, dir mir im Gedächtnis geblieben ist. Ich war bei einem Bootsausflug von Italien nach Griechenland. Ich habe die Sterne angeschaut und dachte: Das ist es, was ich studieren will. Die Leidenschaft für Astronomie ist nicht etwas, womit ich geboren wurde, aber das Feld faszinierte mich mit der Zeit immer stärker.

Was ist dein Forschungsfeld?

Ich bin spezialisiert auf die Entstehung von Galaxien, die ich mithilfe von theoretischen Berechnungen und umfangreichen kosmologischen Simulationen untersuche.

Woran forschst du zur Zeit?

Momentan erforsche ich, wie sich eine spezielle Klasse von Galaxien bildet, die sehr diffuse Galaxien oder im Englischen ultra diffuse galaxies genannt werden. Diese nehmen einen großen Bereich am Himmel ein, haben aber sehr wenige Sterne. Um zu begreifen, wie sie sich bilden, haben wir ein Formationsmodell vorgeschlagen. Basierend auf unseren Simulationen entstehen sie aufgrund von sich wiederholenden Episoden von Supernova-Explosionen. Diese führen dazu, dass ein großer Ausfluss von Gas aus einer Galaxie strömt. Das treibt die Ausdehnung der stellaren Komponenten und der Dunklen Materie an und macht die Galaxie diffus. Sterne, Dunkle Materie und interstellares Gas sind zusammen die Hauptbestandteile einer Galaxie. Bislang waren sehr diffuse Galaxien schwer zu finden, da sie nur sehr blass sind. Dank neuer Teleskope und Methoden entdecken wir jetzt jedoch viele sehr diffuse Galaxien.

Was findest du an deiner Forschung faszinierend?

Die Geisteshaltung, in die sie mich versetzt. Ich wache morgens auf und denke über Satelliten oder Galaxien nach, meine Gedanken schweben immer in den Wolken. Meine Freundinnen und Freunde denken eher über Alltagsprobleme nach, wie „Ich muss noch zur Bank gehen“ oder „Ich muss noch in den Supermarkt“. Manchmal muss ich innehalten und denke, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich all diese Dinge lernen darf, die über unseren Planeten hinausgehen. Abgesehen davon liebe ich die Freiheit, die ich habe, in meiner Forschung und auch beim Reisen. Ich darf Astronominnen und Astronomen kennen lernen, die von allen möglichen Orten der Welt stammen. Ich habe das Gefühl, Astronomie hat meine Sicht auf das Universum und die Menschen darin bereichert.

Welche Fragen möchtest du mit deiner Forschung beantworten?

Ich möchte herausfinden, wie das Universum entstanden ist und wie Galaxien sich innerhalb des Universum bilden. Außerdem würde ich gerne Dunkle Materie verstehen und die Rolle, die es beim Formen von Galaxien spielt. Es gibt Tausende von Fragen, die ich liebend gerne beantworten würde: Was sind die wichtigsten Prozesse bei der Bildung von Galaxien? Ist Supernova-Feedback wirklich wichtig? Welche Rolle spielt ein schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie? Wie viele dunkle Galaxien gibt es noch da draußen, die darauf warten, entdeckt zu werden?

Was sind wichtige Eigenschaften, die eine Astrophysikerin oder ein Astrophysiker mitbringen sollte?

Erstens sollte man eine fundierte Ausbildung in Physik haben. Ich habe Astrophysik und Astronomie studiert und dann promoviert. Zweitens ist es wichtig, dass man hartnäckig ist, denn man wird immer mit Problemen und Ungewissheiten konfrontiert werden. Während der Promotion lernt man, wo man nach Lösungen suchen kann und die Antworten auf Fragen findet: Man lernt, ein Problemlöser zu sein und mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden. Netzwerken ist ebenfalls wichtig, da man so eventuell Kollaborationen in die Wege leitet. Solche Kollaborationen bieten viele Möglichkeiten: Es entstehen Gelegenheiten, seine Arbeit vorzustellen, Feedback dazu zu bekommen und neue Leute zu treffen, mit denen man eventuell bei neuen Projekten zusammenarbeiten kann.

Wenn du einer Schülerin oder einem Schüler einen Ratschlag geben könntest, ob diese oder dieser nun Astrophysik studieren möchte oder nicht, welcher wäre das?

Mach genau das, was du willst. Während der Schulzeit hatten viele meiner Freunde Traumjobs. Aber sie haben ihre Träume nicht verfolgt, weil es nicht viele Stellen gab oder weil ihre Eltern sagten, dass es schwierig sei, in dem Bereich erfolgreich zu sein. Aber wenn man nicht das macht, was man liebt, wird man weder produktiv arbeiten noch glücklich sein. Der Arbeitsmarkt ist in jedem Feld hart umkämpft, also kann man genauso gut seinen Traum verfolgen.

Was die Astronomie angeht, ist es wichtig, an einer guten Universität zu studieren. Die Betreuerin oder der Betreuer einer Doktorarbeit sollte in dem Forschungsbereich etabliert und anerkannt sein. Man sollte zudem versuchen, Fragen selbst zu beantworten, bevor man damit zu jemandem geht. Als ich in Italien studiert habe, hatten wir Riesenangst vor dem Professor, also haben wir nur Fragen gestellt, bei denen die Antwort sicher nicht woanders zu finden war.

Was sind Aufgaben, die du als Astrophysikerin machen musst, von denen viele Menschen nicht annehmen würden, dass sie dazu gehören?

Eine Menge Bürokratie. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so viel davon erledigen müsste. Man muss viele Forschungsanträge schreiben und sich für finanzielle Unterstützung für Projekte bewerben. Es nimmt viel Zeit weg, in der ich forschen könnte.

Was gefällt dir an der Arbeit beim AIP?

Ich genieße das Arbeitsumfeld, die Menschen hier sind sehr freundlich und es ist eine schöne Gemeinschaft. Außerdem ist das Institut einfach schön. Es hat auch den Vorteil, dass es viele Forschungsfelder abdeckt. Wer hier arbeitet, hat Zugang zu vielen Experten und umfangreichen Informationen.

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Dr. Arianna Di Cintio

Bild: AIP
15. Dezember 2017 //

Ein Interview mit Dr. Arianna Di Cintio, Karl Schwarzschild Fellow 2017, von der Schülerin Emma Dierkes, die ein Praktikum in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des AIP gemacht hat.

Was hat dich dazu inspiriert, Astrophysikerin zu werden?

Arianna Di Cintio: Schon als ich klein war, wollte ich entweder Astronautin oder Ballerina werden. In meinem Privatleben tanze ich immer noch gerne, vor allem argentinischen Tango, aber es ist nicht meine Karriere. Und ich habe festgestellt, dass ich zu klaustrophobisch bin, um Astronautin zu werden. Also habe ich mich entschieden, Astronomin zu werden. Da gab es eine bestimmte Situation, dir mir im Gedächtnis geblieben ist. Ich war bei einem Bootsausflug von Italien nach Griechenland. Ich habe die Sterne angeschaut und dachte: Das ist es, was ich studieren will. Die Leidenschaft für Astronomie ist nicht etwas, womit ich geboren wurde, aber das Feld faszinierte mich mit der Zeit immer stärker.

Was ist dein Forschungsfeld?

Ich bin spezialisiert auf die Entstehung von Galaxien, die ich mithilfe von theoretischen Berechnungen und umfangreichen kosmologischen Simulationen untersuche.

Woran forschst du zur Zeit?

Momentan erforsche ich, wie sich eine spezielle Klasse von Galaxien bildet, die sehr diffuse Galaxien oder im Englischen ultra diffuse galaxies genannt werden. Diese nehmen einen großen Bereich am Himmel ein, haben aber sehr wenige Sterne. Um zu begreifen, wie sie sich bilden, haben wir ein Formationsmodell vorgeschlagen. Basierend auf unseren Simulationen entstehen sie aufgrund von sich wiederholenden Episoden von Supernova-Explosionen. Diese führen dazu, dass ein großer Ausfluss von Gas aus einer Galaxie strömt. Das treibt die Ausdehnung der stellaren Komponenten und der Dunklen Materie an und macht die Galaxie diffus. Sterne, Dunkle Materie und interstellares Gas sind zusammen die Hauptbestandteile einer Galaxie. Bislang waren sehr diffuse Galaxien schwer zu finden, da sie nur sehr blass sind. Dank neuer Teleskope und Methoden entdecken wir jetzt jedoch viele sehr diffuse Galaxien.

Was findest du an deiner Forschung faszinierend?

Die Geisteshaltung, in die sie mich versetzt. Ich wache morgens auf und denke über Satelliten oder Galaxien nach, meine Gedanken schweben immer in den Wolken. Meine Freundinnen und Freunde denken eher über Alltagsprobleme nach, wie „Ich muss noch zur Bank gehen“ oder „Ich muss noch in den Supermarkt“. Manchmal muss ich innehalten und denke, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich all diese Dinge lernen darf, die über unseren Planeten hinausgehen. Abgesehen davon liebe ich die Freiheit, die ich habe, in meiner Forschung und auch beim Reisen. Ich darf Astronominnen und Astronomen kennen lernen, die von allen möglichen Orten der Welt stammen. Ich habe das Gefühl, Astronomie hat meine Sicht auf das Universum und die Menschen darin bereichert.

Welche Fragen möchtest du mit deiner Forschung beantworten?

Ich möchte herausfinden, wie das Universum entstanden ist und wie Galaxien sich innerhalb des Universum bilden. Außerdem würde ich gerne Dunkle Materie verstehen und die Rolle, die es beim Formen von Galaxien spielt. Es gibt Tausende von Fragen, die ich liebend gerne beantworten würde: Was sind die wichtigsten Prozesse bei der Bildung von Galaxien? Ist Supernova-Feedback wirklich wichtig? Welche Rolle spielt ein schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie? Wie viele dunkle Galaxien gibt es noch da draußen, die darauf warten, entdeckt zu werden?

Was sind wichtige Eigenschaften, die eine Astrophysikerin oder ein Astrophysiker mitbringen sollte?

Erstens sollte man eine fundierte Ausbildung in Physik haben. Ich habe Astrophysik und Astronomie studiert und dann promoviert. Zweitens ist es wichtig, dass man hartnäckig ist, denn man wird immer mit Problemen und Ungewissheiten konfrontiert werden. Während der Promotion lernt man, wo man nach Lösungen suchen kann und die Antworten auf Fragen findet: Man lernt, ein Problemlöser zu sein und mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden. Netzwerken ist ebenfalls wichtig, da man so eventuell Kollaborationen in die Wege leitet. Solche Kollaborationen bieten viele Möglichkeiten: Es entstehen Gelegenheiten, seine Arbeit vorzustellen, Feedback dazu zu bekommen und neue Leute zu treffen, mit denen man eventuell bei neuen Projekten zusammenarbeiten kann.

Wenn du einer Schülerin oder einem Schüler einen Ratschlag geben könntest, ob diese oder dieser nun Astrophysik studieren möchte oder nicht, welcher wäre das?

Mach genau das, was du willst. Während der Schulzeit hatten viele meiner Freunde Traumjobs. Aber sie haben ihre Träume nicht verfolgt, weil es nicht viele Stellen gab oder weil ihre Eltern sagten, dass es schwierig sei, in dem Bereich erfolgreich zu sein. Aber wenn man nicht das macht, was man liebt, wird man weder produktiv arbeiten noch glücklich sein. Der Arbeitsmarkt ist in jedem Feld hart umkämpft, also kann man genauso gut seinen Traum verfolgen.

Was die Astronomie angeht, ist es wichtig, an einer guten Universität zu studieren. Die Betreuerin oder der Betreuer einer Doktorarbeit sollte in dem Forschungsbereich etabliert und anerkannt sein. Man sollte zudem versuchen, Fragen selbst zu beantworten, bevor man damit zu jemandem geht. Als ich in Italien studiert habe, hatten wir Riesenangst vor dem Professor, also haben wir nur Fragen gestellt, bei denen die Antwort sicher nicht woanders zu finden war.

Was sind Aufgaben, die du als Astrophysikerin machen musst, von denen viele Menschen nicht annehmen würden, dass sie dazu gehören?

Eine Menge Bürokratie. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so viel davon erledigen müsste. Man muss viele Forschungsanträge schreiben und sich für finanzielle Unterstützung für Projekte bewerben. Es nimmt viel Zeit weg, in der ich forschen könnte.

Was gefällt dir an der Arbeit beim AIP?

Ich genieße das Arbeitsumfeld, die Menschen hier sind sehr freundlich und es ist eine schöne Gemeinschaft. Außerdem ist das Institut einfach schön. Es hat auch den Vorteil, dass es viele Forschungsfelder abdeckt. Wer hier arbeitet, hat Zugang zu vielen Experten und umfangreichen Informationen.

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 11. November 2021