Forschende sagen die Rotationsperioden von Sternen voraus

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Der junge offene Sternhau­fen NCG 3532 besteht aus mehr als 2.000 Sternen. Heiße Sterne sind in Blau zu sehen, und mehrere massereiche Sterne haben sich bereits zu kühlen Rie­sensternen entwickelt, die in Rot sichtbar sind. Auf­grund der großen Anzahl von Mitgliedssternen eig­net sich der Haufen beson­ders gut für die Untersu­chung der Entwicklung junger Sterne.

Bild: ESO/G. Beccari
16. Dezember 2021 //

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) gibt den Abschluss einer großen, in drei Publi­kationen veröffentlichten Studie über einen der reichhaltigsten der zugänglichen offenen Stern­haufen bekannt. Mit der darin beschriebenen Methode können die Rotationsperioden von Sternen aus einer einzigen Beobachtung der Sternaktivität abgeleitet werden, statt aus wiederholten Be­obachtungen über mehrere Wochen, die zur direkten Messung der Rotationsperiode erforderlich sind. Dies hat möglicherweise Auswirkungen auf die Bestimmung des Alters von Sternen.

Offene Sternhaufen setzen sich aus Sternen zusammen, die zur gleichen Zeit entstanden sind und daher das gleiche Alter haben. Bekannte Beispiele sind die Plejaden und die Hyaden, die etwa 100 bzw. 600 Millionen Jahre alt sind. Von den nahegelegenen Sternhaufen sind sie zudem am reichsten an unter­schiedlichen Sternen. Ihre Nähe und ihre Reichhaltigkeit machen sie daher zu wichtigen Kalibrierungs­objekten für das Verständnis der Entwicklung von Sternen, insbesondere von solchen mit geringer Masse.

Der mit ca. 2000 an Sternen reichste, und gut beobachtbare, offene Sternhaufen mittleren Alters ist NGC 3532. Dieser deckt einen Himmelsbereich auf der Südhalbkugel ab, der fast doppelt so groß wie der Vollmond und mit bloßem Auge sichtbar ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AIP haben vor kurzem eine umfassende Untersuchung der Rotationsaktivität dieses 300 Millionen Jahre alten Sternhaufens abgeschlossen, die detaillierte Einblicke in die Entwicklung massearmer Sterne zwischen dem Alter der Plejaden und der Hyaden ermöglicht. Die erste Veröffentlichung legte die Sterne fest, die tatsächlich Mitglieder des Haufens sind – die Voraussetzung für jede detaillierte Arbeit. Die zweite Arbeit unter­suchte die Rotation der Sterne in diesem Haufen gründlich und zeigte eine signifikante Entwicklung weg von einer Plejaden-ähnlichen Verteilung, was neben anderen Erkenntnissen zur Rotation das mitt­lere Alter des Haufens bestätigte.

Die jetzt veröffentlichte letzte Studie, die mit dem Anglo-Australian Telescope in New South Wales durchgeführt wurde, konzentriert sich auf die magnetische Aktivität von mehr als 450 Sternen des Hau­fens. Magnetische Aktivität umfasst Verhalten von Sternen wie z.B. Ausbrüche, Sternflecken und koro­nale Auswürfe. Forschende untersuchen hierbei routinemäßig das Sternspektrum und suchen nach zu­sätzlicher Emission in Teilen des Spektrums. Anschließend messen sie die Emission, klassifizieren die Sterne als magnetisch aktiv und definieren das Aktivitätsniveau des jeweiligen Sterns. Die Reichhaltig­keit des Haufens in Verbindung mit der Ableitung der stellaren Rotationsperioden ermöglicht neue und detaillierte Einblicke in die magnetische Aktivität spezifischer stellarer Populationen innerhalb des Hau­fens. Dies ermöglichte es insbesondere, eine sehr gut definierte Beziehung zwischen Rotation und Akti­vität zu konstruieren.

Diese Beziehung war sogar präzise genug, um die Rotationsperioden für eine große Anzahl von Sternen vorherzusagen. Es war daraufhin möglich, die tatsächlichen Rotationsperioden der Sterne anhand der photometrischen Daten zu ermitteln und zu bestätigen. Dabei wurden wiederholt Bilder von denselben Sternen aufgenommen und die winzigen Helligkeitsveränderungen jedes Sterns gemessen, wenn sich Flecken auf dem Stern ins Bild hinein- und wieder herausbewegen – dies ist das erste Mal, dass dies in einem derartigen Maßstab durchgeführt wurde. Die Studie zeigt, dass die Konstruktion solcher Bezie­hungen eine Vorhersage der Perioden ermöglicht, aus denen sich dann die Alter der relevanten Sterne ableiten lassen. Dr. Dario Fritzewski, Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie, betont: „Entscheidend ist, dass die Aktivität mit nur einer einzigen Beobachtung am Teleskop gemessen werden kann, anstatt der wiederholten Messungen, die über Wochen und Monate erforderlich sind, um Rotationsperioden ab­zuleiten.“

Dr. Sydney Barnes, Leiter der Gruppe Sternaktivität am AIP, fügt hinzu: „In Zukunft wird es möglich sein, das Alter vieler Sterne zu bestimmen, auch außerhalb von Sternhaufen – so genannte Feldsterne. Dies könnte für die Erstellung astronomischer Chronologien sehr nützlich sein und erlaubt es, astronomische Ereignisse zeitlich einzuordnen.“

Weitere Informationen

Originalveröffentlichung

A detailed understanding of the rotation-activity relationship using the 300 Myr old open cluster NGC 3532. D. J. Fritzewski, S. A. Barnes, D. J. James, S. P. Järvinen and K. G. Strassmeier. A&A, 656 (2021) A103

https://doi.org/10.1051/0004-6361/202140896

Die ersten beiden Paper

https://doi.org/10.1051/0004-6361/202140894

https://doi.org/10.1051/0004-6361/201833587

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 16. Dezember 2021