Astronomische Schatztruhe: Digitalisierungsprojekt für Fotoplatten abgeschlossen

Himmelskarte mit Farben für Anzahl der Belichtungen

Himmelsabdeckung des APPLAUSE-Datenarchivs: Die Farbe gibt die Anzahl der Belichtungen pro Himmelsabschnitt an. Insbesondere der nördliche Sternenhimmel ist gut abgedeckt.

Bild: H. Enke (AIP) und T. Tuvikene (Tartu Observatory)
4. Juli 2022 //

Die vierte und letzte Datenveröffentlichung des APPLAUSE-Projekts stellt insgesamt 94.000 digitalisierte astronomische Fotoplatten zur Verfügung, die unter anderem mit Hilfe von Machine-Learning-Methoden analysiert und katalogisiert wurden. Neben Scans von Platten aus Bamberg und der Karl-Schwarzschild-Sternwarte bei Jena, sind nun auch erstmals digitalisierte Aufnahmen des vatikanischen Observatoriums verfügbar.

Astronomische Fotoaufnahmen sind einzigartig – sie zeigen Sterne und andere Himmelsobjekte zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, der nicht wiederkommt. Das Projekt APPLAUSE (Archives of Photographic PLates for Astronomical USE) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die in den beteiligten Sternwarten schlummernden Schätze an Fotoplatten zu scannen, zu analysieren und mit zusätzlichen Informationen angereichert allen Interessierten bereit zu stellen.

Das dafür verantwortliche Konsortium besteht aus Forschenden des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), den Universitäten Hamburg und Erlangen-Nürnberg sowie der Sternwarte Tartu (Estland) und kündigt nun die vierte Datenveröffentlichung (DR4) der Datenbank APPLAUSE an. Damit wird die Publikation der mehr als 94.000 fotografischen astronomischen Aufnahmen aus den Jahren 1893 bis 1998 aus den Archiven der Partnerinstitute vervollständigt.

Die wichtigste Ergänzung stellen die Daten der Bamberger Durchmusterung des Nordhimmels dar, resultierend aus 17.600 fotografischen Platten, die zwischen 1912 und 1968 von der Dr. Karl Remeis-Sternwarte der Universität Erlangen-Nürnberg in Bamberg aufgenommen wurden. Damit hat APPLAUSE eine substantielle Erweiterung der Beobachtungsdaten der nördlichen Hemisphäre erfahren.

Außerdem wurden Digitalisierungsbestände der Thüringer Landessternwarte (TLS) aus dem Archiv des Karl-Schwarzschild-Observatoriums bei Jena, der damaligen Sternwarte der Akademie der Wissenschaften der DDR, aus den Jahren 1960 bis 1998 zur Verfügung gestellt und integriert.

Graue Fotoplatte mit schwarzen Punkten (Sternen)

Diese Fotoplatte vom 24. November 1951 aus den Archiven des Vatikan-Observatoriums zeigt die Plejaden, einen Sternhaufen im Sternbild Stier.

Bild: APPLAUSE

Auch der Vatikanstaat betreibt ein astronomisches Observatorium am Sommersitz des Papstes in Castel Gandolfo. Astronominnen und Astronomen dieses Observatoriums lieferten digitalisierte Daten aus ihren Archiven, die das Konsortium in APPLAUSE integrierte und die aufgrund ihrer sehr guten Qualität einen wichtigen Bestandteil darstellen.

Von entscheidender Bedeutung für die astronomische Nutzung ist eine genaue Kalibration der digitalisierten Daten. Dazu entwickelten die beteiligten Forschenden das Open-Source-Programm PyPlate. Dieses nutzt Methoden des maschinellen Lernens zur Fehlererkennung. Beispielsweise konnte die Erkennung von Artefakten wie Kratzern und Staubkörnen auf den Platten mit den neuen Methoden gesteigert werden, was zu einer deutlich höheren Qualität der Daten führte.

Umfangreiche, im Dezember 2020 publizierte Kalibrationsdaten der ESA-Weltraummission Gaia bildeten die Grundlage für den Abgleich mit anderen astronomischen Katalogen. Nahezu 4,5 Milliarden Lichtquellen konnten extrahiert, kalibriert und in DR4 publiziert werden. Diese stehen nunmehr den Forschenden weltweit zur Verfügung und sind Teil der Daten des internationalen Virtuellen Observatoriums. Alle Daten sind mit DOI versehen und sind nach den FAIR Kriterien publiziert.

Das Projekt erhielt von 2012 bis 2022 Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unter dem Thema „Digitalisierung astronomischer Fotoplatten und ihre Integration in das internationale Virtual Observatory“ und wurde durch die drei deutschen Partnerinstitutionen mit substantiellen Eigenmitteln unterstützt. Mit dem DR4 kommt es zu einem erfolgreichen Ende. Das Plattenarchiv wird vom AIP bereitgestellt und publiziert.

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 21. Februar 2023