eROSITA entdeckt regelmäßige Röntgenblitze aus der Umgebung Schwarzer Löcher

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Links: Optisches Bild der ersten Galaxie, die in den eROSITA-All-Sky-Daten aufgrund ihrer quasi-periodischen Ausbrüche gefunden wurde, die NICER-Röntgenlichtkurve ist grün überlagert. Die Galaxie wurde als 2MASS 02314715-1020112 bei einer Rotverschiebung von z~0,05 identifiziert. Etwa 18,5 Stunden vergehen zwischen den Höhepunkten der Röntgenausbrüche.
Rechts: Optisches Bild der zweiten Galaxie, die in den eROSITA-All-Sky-Daten aufgrund ihrer quasi-periodischen Ausbrüche gefunden wurde, die XMM-Newton-Röntgenlichtkurve ist pink überlagert. Die Galaxie wurde als 2MASX J02344872-4419325 mit einer Rotverschiebung von z~0,02 identifiziert. Diese Quelle zeigt deutlich kürzere und häufigere Ausbrüche, etwa alle 2,4 Stunden.

Bild: MPE; optical image: DESI Legacy Imaging Surveys/D. Lang (Perimeter Institute)
28. April 2021 //

Die Himmelsdurchmusterung mit dem Röntgenteleskop eROSITA identifizierte in zwei bisher völlig unauffälligen Galaxien starke, regelmäßig wiederkehrende Helligkeitsausbrüche. Offensichtlich befinden sich in den Zentren der beobachteten Galaxien supermassereiche Schwarze Löcher, denen ein stellares Objekt alle paar Stunden gefährlich nahekommt, wie eine nun in Nature veröffentlichte Studie vermutet.

Regelmäßig alle paar Stunden leuchten die Kerne dieser Galaxien im Röntgenlicht auf und erreichen dabei eine Leuchtkraft, die mit denen einer ganzen Galaxie vergleichbar ist. Die Ursache dieses pulsierenden Verhaltens ist unklar. Möglicherweise ist es auf ein stellares Objekt zurückzuführen, das um das zentrale Schwarze Loch in den Galaxien kreist.

Quasare oder "aktive galaktische Kerne" (AGN) werden oft als die Leuchttürme des fernen Universums bezeichnet. In ihrem Zentrum verschluckt ein massereiches Schwarzes Loch große Mengen an Material und leuchtet dabei bis zu tausendmal heller als eine ganze Galaxie wie unsere Milchstraße. Doch anders als ein Leuchtturm leuchten die AGN kontinuierlich. Ganz anders nun verhalten sich die beiden neuen mit eROSITA gefundenen aktiven Kerne.

„In der eROSITA-Himmelsdurchmusterung haben wir nun zwei bisher unauffällige Galaxien gefunden, deren Röntgenemission enorm und fast periodisch pulsiert“, sagt Riccardo Arcodia, Doktorand am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und Erstautor der Studie. Diese Art von Objekten ist ziemlich neu: Nur zwei solcher Quellen waren bisher bekannt. Beide wurden entweder zufällig oder in Archivdaten der letzten Jahre gefunden. „Diese neue Art von pulsierenden Quellen scheint besonders im Röntgenbereich auffällig zu sein. Deshalb haben wir uns entschlossen, eROSITA quasi „blind“ einzusetzen, anstatt gezielt zu suchen. Bei unserer Analyse der Daten haben wir sofort zwei weitere Quellen gefunden“, fügt er hinzu.

Das eROSITA-Teleskop scannt derzeit den gesamten Himmel im Röntgenbereich ab. Der kontinuierliche Datenfluss ist gut geeignet, um veränderliche Ereignisse wie diese Eruptionen zu finden. Beide neue Quellen, die von eROSITA entdeckt wurden, zeigten innerhalb weniger Stunden eine Röntgenvariabilität mit hoher Amplitude, was durch Folgebeobachtungen mit den Röntgenteleskopen XMM-Newton und NICER bestätigt wurde. Im Gegensatz zu den beiden bereits bekannten, ähnlichen Objekten waren diese neuen, von eROSITA gefundenen galaktische Kerne bisher nicht aktiv. Georg Lamer, Projektwissenschaftler am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), lieferte die Software, die die Identifizierung neuer Röntgenquellen ermöglicht: „So konnte die Position der Quelle am Himmel bestmöglich bestimmt werden.“

„Es waren ganz durchschnittliche Galaxien mit einer recht kleinen Masse und inaktiven Schwarzen Löchern“, erklärt Andrea Merloni vom MPE, leitender Wissenschaftler bei eROSITA. „Ohne diese plötzlichen, sich wiederholenden Röntgeneruptionen hätten wir sie ignoriert.“ Axel Schwope, Projektleiter am AIP, ergänzt: „Anhand des optischen Spektrums aus Beobachtungen mit dem South African Large Telescope konnten wir die ‚Normalität‘ der Galaxien zeigen.“ Die Wissenschaftler haben nun die Gelegenheit, die Umgebung der kleinsten supermassereichen Schwarzen Löcher zu erforschen. Diese haben die 100.000- bis 10-Millionen-fache Masse unserer Sonne.

Quasi-periodische Emissionen, wie sie jetzt von eROSITA entdeckt wurden, werden typischerweise mit Doppelsternsystemen in Verbindung gebracht. Wenn die Ausbrüche auch in diesem Fall durch die Anwesenheit eines umkreisenden Objekts ausgelöst werden, muss dessen Masse viel kleiner sein als die des Schwarzen Lochs – in der Größenordnung eines Sterns oder eines Weißen Zwerges, der bei jedem Umlauf durch die enormen Gezeitenkräfte in der Nähe des Schwarzen Lochs teilweise auseinandergerissen werden könnte.

„Wir wissen immer noch nicht, was diese Röntgenausbrüche verursacht“, räumt Arcodia ein. „Aber wir wissen, dass die Nachbarschaft des Schwarzen Lochs bis vor kurzem ruhig war. Eine bereits existierende Akkretionsscheibe, wie sie in aktiven Galaxien vorhanden ist, ist also nicht erforderlich, um diese Phänomene auszulösen.“ Zukünftige Röntgenbeobachtungen werden helfen, das Szenario eines um das Schwarze Loch kreisenden Objektes einzuschränken oder auszuschließen und mögliche Änderungen der Umlaufzeit zu beobachten. Diese Art von Objekten könnte auch mit Gravitations-Wellen beobachtbar sein und neue Möglichkeiten der Multi-Messenger-Astrophysik eröffnen.

eROSITA (kurz für „Extended Roentgen Survey with an Imaging Telescope Array“) ist ein Röntgenteleskop, das von einem deutschen Konsortium unter der Leitung des MPE gebaut wurde. Das AIP trägt Software zur Datenauswertung bei, wobei der Schwerpunkt auf der Lagebestimmung des Satelliten und der Detektion der Röntgenquellen am Himmel liegt. Das AIP lieferte auch Flughardware für die Filterräder der Kamera und die gesamte Ausrüstung des mechanischen Bodensegments für die Integration und die Tests des Röntgenteleskoparrays.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AIP sind auch in den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen von eROSITA involviert. Die optische Identifizierung neuer Röntgenquellen ist von großer Bedeutung: Die eROSITA-Galaxienhaufen- und AGN-Durchmusterungen dienen als Referenz für die zukünftige Himmelsdurchmusterung mit 4MOST, einem 4-Meter spektroskopischen Multi-Objekt-Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO, das derzeit unter Leitung des AIP gebaut wird.

Weitere Informationen

Orginalveröffentlichung

Arcodia, R., Merloni, A., Nandra, K. et al. X-ray quasi-periodic eruptions from two previously quiescent galaxies. Nature 592, 704–707 (2021).

DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-021-03394-6

Pressemitteilung MPE

https://www.mpe.mpg.de/7587727/news20210429

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 29. April 2021