Röntgenfeuerball einer Nova

Bild: eROSITA Collaboration/Annika Kreikenbohm
11. Mai 2022 //

Das Röntgenteleskop eROSITA spürte erstmals die Frühphase einer thermonuklearen Explosion auf und bestätigte so eine jahrzehntealte Vorhersage eines Novamodells.

Eine Nova – ein Phänomen, das seit Tausenden von Jahren beobachtet wird: Ein scheinbar neuer Stern wird am Himmel sichtbar und verschwindet nach einigen Wochen allmählich wieder. Erst vor rund 60 Jahren wurde ein grundlegendes Verständnis dieser Erscheinung entwickelt: Demnach ist eine Nova eine nukleare Explosion auf der Oberfläche eines Weißen Zwergsterns. Die dann sehr hell aufleuchtende und mit mehreren 1000 Kilometern pro Sekunde rasend schnell ausdehnende und abkühlende Hülle des Sterns ist verantwortlich für die optische Erscheinung eines scheinbar neuen Sterns. Die Initialzündung sollte sich durch einen Röntgenlichtblitz bemerkbar machen, so eine Vorhersage aus den 90er Jahren, der jedoch wegen der Kürze und Seltenheit des Ereignisses noch nie nachgewiesen werden konnte. Ein internationales Forschungsteam unter Mitwirkung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) berichtet nun vom erstmaligen Nachweis einer Nova in der frühen Feuerballphase mit dem Röntgeteleskop eROSITA und steuert damit ein wesentliches Element zum Verständnis des Novaphänomens bei. „Ein Stückchen Glück gehört zum Leben dazu, manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein", meint der AIP-Wissenschaftler PD Dr. Axel Schwope, der an der wissenschaftlichen Auswertung mitgewirkt hat.

„Dabei kam uns der Zufall zu Hilfe“, erklärt Ole König, Doktorand am Astronomischen Institut der Friedrich-Argelander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erstautor der Studie. „Solche Röntgenblitze lassen sich kaum vorhersagen, dauern nur wenige Stunden und das Beobachtungsinstrument muss in dieser Zeit auf den Ausbruch zielen“, schildert der Astrophysiker die Schwierigkeiten. Der Nachweis gelang mit dem Röntgenteleskop eROSITA, das eineinhalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt seit 2019 den Himmel nach weichen, das heißt, energiearmen, Röntgenstrahlen durchmustert. Dabei wurde am 7. Juli 2020 extrem starke Röntgenstrahlung in einem Bereich des Himmels gemessen, der vier Stunden vorher noch völlig unauffällig gewesen war. Als das Röntgenteleskop vier Stunden später die gleiche Stelle am Himmel erneut musterte, war die Strahlungsquelle wieder verschwunden. Der Röntgenblitz hatte also weniger als acht Stunden gedauert. Erst 11 Stunden später wurde an der gleichen Position die Nova auch mit optischen Teleskopen entdeckt. Die Nova bekam den Namen YZ Ret und wurde schließlich so hell, dass sie auch mit dem bloßen Auge sichtbar war – die zweithellste Nova im vergangenen Jahrzehnt. Die zeitliche und räumliche Koinzidenz der optischen Nova und des Röntgenblitzes führte schließlich zur Erklärung des Blitzes als früher Feuerball der Nova.

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Himmelsbilder von allen sieben eROSITA-Kameras kombiniert. Am Zeitpunkt t0 (7. Juli 2020), während der zweiten Himmelsdurchmusterung, entdeckte eROSITA einen hellen, neuen, weichen Röntgenblitz. Auf den Scans vier Stunden vor und nach dem Ereignis ist keine Quelle zu erkennen.

Bild: König et al., 2022

Wenn Sterne wie unsere Sonne ihren Brennstoff verbraucht haben, bleibt als Rest ein heißer sogenannter Weißer Zwergstern übrig. Weiße Zwerge haben etwa die Masse unserer Sonne aber nur die Größe unserer Erde. Die Materie darin ist hochkomprimiert. „Diese Verhältnisse kann man sich an einem Beispiel gut vorstellen“, erklärt Prof. Dr. Jörn Wilms (FAU), Zweitautor der Studie: „Stellt man sich die Sonne in der Größe eines Apfels vor, hätten die Erde und auch der Weiße Zwerg die Dimension eines Stecknadelkopfes. Ein Teelöffel Materie aus dem Inneren eines Weißen Zwergs hat jedoch leicht die Masse eines Lastkraftwagens“. Diese Objekte sind zwar immer noch heiß und leuchten daher weißlich. Nur ist diese Strahlung wegen der Kleinheit der Weißen Zwerge schwach und lässt sich daher von der Erde aus gesehen kaum entdecken.

Es sei denn, der Weiße Zwerg wird von einem Stern begleitet, in dem das Sonnenfeuer noch brennt und von dem dann frisches Sternmaterial, insbesondere Wasserstoff, auf ihn übergehen kann. „Dieser Wasserstoff kann sich mit der Zeit zu einer nur wenige Meter dicken Schicht auf der Oberfläche der Sternenleiche sammeln“, erklärt Jörn Wilms. In dieser Schicht aber erzeugt die riesige Schwerkraft einen gigantischen Druck, der so groß werden kann, dass dort das Sternenfeuer wieder zündet. In einer Kettenreaktion entsteht rasch eine riesige Explosion, in der die Wasserstoffschicht wieder abgesprengt wird. Die Röntgenstrahlung einer solchen Explosion hat dann am 7. Juli 2020 die Detektoren von eROSITA getroffen und überbelichtet.

Die detaillierte Auswertung der Röntgenbeobachtungen hat dann ergeben, dass der Feuerball zum Zeitpunkt der Beobachtung einen rund drei- bis fünffachen Erdradius bei einer Temperatur von rund 330.000 Grad hatte und der Weiße Zwerg ungefähr 90 Prozent der Masse unserer Sonne haben und damit relativ massereich sein sollte.

Das Forschungsteam berichtet über die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Nature und umfasst Mitglieder der FAU, des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, der Eberhard Karls Universität Tübingen, der Universitat Politécnica de Catalunya in Barcelona und dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP).

Weitere Informationen

Originalpublikation

König, O., Wilms, J., Arcodia, R. et al. X-ray detection of a nova in the fireball phase.Nature 605, 248–250 (2022)

https://www.nature.com/articles/s41586-022-04635-y

DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-022-04635-y

Pressemitteilung FAU

https://www.fau.de/2022/05/news/wissenschaft/explosion-auf-einem-weissen-zwerg-direkt-beobachtet

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 12. Mai 2022