Forschungsthemen

Dynamos in Sonne und Sternen

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Magnetfeld an der Oberfläche des Sterns HD208472

Bild: AIP/R. Arlt

Sonnenähnliche Sterne zeigen an ihrer Oberfläche verschiedene Anzeichen von magnetischer Aktivität. Das Niveau der Aktivität wird durch einen Dynamoprozess aufrechterhalten. Der unter der Oberfläche wirkende Dynamo zeigt auf unterschiedliche Weise zyklische Aktivität an der Oberfläche.Die Details des Dynamoprozesses sind aber noch verborgen. Zwei Theorien versuchen hier Erklärungen zu geben: Die Flusstrans­porttheorie nimmt an, dass die Flecken auf der Sonnenoberfläche aktiv am Dynamo beteiligt sind. Dagegen stellt die turbulente Theorie die Aussage, dass Sonnenflecken nur ein Anzeichen für den Dynamo sind. Mit globalen numerischen Simulationen, die auf dem AIP-Rechencluster ausgeführt wurden, konnte ein nichtlineares Dynamomodel auf Basis von aufsteigenden Flussröhren entwickelt werden. Damit ließ sich die solare Aktivität zum ersten Mal quantitativ reproduzieren. Sollte das nichtlineare Modell die magne­ tische Aktivität von jüngeren und weniger massereichen Sternen auch korrekt beschreiben, so wäre das ein Hinweis auf die aktive Rolle von Magnetfeldern in Sternenflecken.

Differentielle Rotation von Sonne und Sternen

Die Konvektionszone der Sonne rotiert differentiell, d. h. am Äquator ist die Rotationsperiode am kürzesten, an den Polen am längsten. Dieses Muster kann durch den Einfluss der Coriolis-Kraft erklärt werden. Sie spielt eine wesentliche Rolle bei der Erzeugung von Magnetfeldern. Bei der Erforschung der magnetischen Aktivität von Sternen spielt daher die Frage nach deren Rotationsverhalten eine wesentliche Rolle. Die differentielle Rotation von Sternen kann über die Beobachtung von Helligkeitsschwankungen, verursacht durch mitrotierende Flecken auf der Sternenoberfläche, gemessen werden. Während theoretische Modelle bis vor Kurzem eine sonnenähnliche differentielle Rotation vorhersagten, fanden numerische Simula­ tionen für bestimmte Fälle ein entgegengesetztes („anti­solares“) Muster. Simulationsrechnungen zum Drehimpulstransport in rotie­ render Konvektion zeigen, dass dieser für langsam rotierende Sterne tatsächlich seine Richtung umkehrt, was zu einer beschleunigten Rotation der Polkappen führt.

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Protoplanetare Gas-Scheibe mit einer durch einen Planeten geöffneten Spalt. Die Visualisierung zeigt die Gasdichte samt Strömungslinien (gelblich) und Magnetfeldlinien(weiß).

Bild: AIP / O. Gressel

Protoplanetare Scheiben wachsen über magnetische Spannungen an. Wenn der Effekt der ambipolaren Diffusion einbezogen wird, bildet die Scheibe in ihrem planetenbildenden inneren Bereich einen magneto­zentrifugalen Scheibenwind aus. Der am AIP ent­ wickelte NIRVANA­-Code führte die weltweit ersten globalen MHD­-Simulationen hierzu durch. Erweitert um Strahlungstransport und Thermochemie, zielt die umfassende Herangehensweise darauf ab, den Standard in diesem Bereich zu definieren. Protoplanetare Scheiben sind für die Theorie der Planetenentstehung von zentraler Bedeutung. Ihre dynamischen, thermischen und Strahlungseigenschaften bestimmen entscheidend die Bedingungen für eingebettete Festkörper. Dynamik und Struktur der Scheiben wiederum hängen maßgeblich vom Einfluss der Magnetfelder ab. Ein vom Europäischen Forschungsrat ERC finanziertes Projekt kombiniert modernste Simulationen mit umfassender Nachbearbei­tung, um synthetische Beobachtungen in den Wellenlängenberei­chen des ALMA-Observatoriums zu erzeugen. Alles mit dem großen Ziel, die Planetenbildung „in flagranti“ zu beobachten.

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Interstellare Chemie und die Bildung von Sternvorstufen

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Supernova­-Explosionen erzeugen starke Schockwellen, die sich im interstellaren Medium mit hoher Geschwindigkeit ausbreiten. Trifft eine solche Schockwelle auf eine Molekülwolke, können sich durch Kompression prästellare Gaskerne bilden. Realistische Simulationen dieser Wechselwirkung erfordern die Verwendung hochgradig komplexer Computermodelle, die, neben der Magneto­hydrodynamik auf stark variierenden räumlichen Skalen, auch die chemo-thermischen Prozesse im interstellaren Gas-Staub-Ge­misch berücksichtigen. Die zeitliche Entwicklung der chemischen Zusammensetzung ist dabei von grundlegender Bedeutung, da sie die Stärke der assoziierten Kühlungsprozesse im Gas reguliert und die Dynamik beeinflusst. Mit Hilfe des um Ionisations- und Molekül­chemie erweiterten NIRVANA­Codes wird simuliert, wie sich der Detailgrad in der Modellierung wichtiger chemo­ther­mischer Prozesse auf die Entstehung von Gaskernen auswirkt und unter welchen Bedingungen es überhaupt zur Bildung von solchen Sternvorstufen kommt.

Magnetic field undulation from Parker instability

Magnetfeld, das aus der Parker-Instabilität in einer hybriden galaktischen Dynamo-Simulation resultiert. Die Welligkeit wäre in einer herkömmlichen Mean-Field-Rechnung nicht aufgetaucht und kann möglicherweise (scheinbare) radiale "Umkehrungen" der Magnetfeldrichtung erklären, die in der Milchstraße, aber nicht in externen Galaxien beobachtet werden.

Bild: AIP/O. Gressel

Dynamos in Galaxien

Radiosignale polarisierter Synchrotron-Strahlung zeigen großskalige magnetische Strukturen in der Milchstraße und aufgelösten externen Galaxien. Die Entstehung dieser Magnetfelder kann mit Dynamoprozessen mittlerer Felder erklärt werden. Aufwändige numerische Rechnungen des turbulenten interstellaren Mediums konnten den lange vermuteten Dynamo direkt simulieren. Es wurden die für den Dynamo relevanten Turbulenzeigenschaften des interstellaren Mediums systematisch charakterisiert. Das globale dynamische Magnetfeldmodel für die Milchstraße zeigt im inneren Bereich bis 10 kpc einen kinematischen Dynamo, während bei abnehmender Sternentstehungsrate weiter außen die Magneto-Rotationsinstabilität die Turbulenz treibt.

Magnetfelder und die Struktur der Sonne

Mit erstaunlicher Genauigkeit lassen sich die beobachtbaren Parameter der Sonne und anderer Sterne durch physikalische Modelle ihres Aufbaus berechnen. Die Kernfusion im Inneren, die Eigenschaften der Materie und eine Näherung für die Wirkung der Turbulenz sind die üblichen Zutaten. Da manche Sterne aber größer erscheinen, als die errechneten Modelle vorgeben, gerieten Magnetfelder als fehlende Ingredienz in Verdacht. Berechnungen der Magnetohydrodynamik (MHD) berücksichtigen sie mit den von ihnen verursachten Änderungen im Wärmetransport. Die solaren Magnetfelder stammen aus Dynamo­-Berechnungen, die den elfjäh­rigen Sonnenfleckenzyklus nachstellen. Durch die Wirkung der Magnetfelder ändert sich bei starken Feldern ab einem Tesla der Sonnenradius um einige Millionstel. Beobachtbare Radiusänderungen müssen zehnmal größer sein. Die Oberflächen­ temperatur zeigt jedoch eine Variation von etwa einem halben Grad, die messbar sein kann.

Magnetosphäre von massereichen Sternen

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Verteilung des Gases und Magnetdfeldgeometrie in der Umgebung eines massiven Sterns. Die Farbkonturen Zeiden die Massendichte, die weissen Linien das Magnetfeld.

Bild: AIP / M. Kueker

Massereiche Sterne sind sehr leuchtstark und verlieren große Mengen von Gas durch strahlungsgetriebene Winde. Diese Winde tragen bis zu einer Milliarde Mal mehr Masse ab als der Sonnenwind und erreichen Geschwindigkeiten bis zu einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Magnetfelder auf der Sternoberfläche mit Feldstärken von über einem Kilogauss haben erhebliche Auswirkungen auf die Sternwinde. Numerische Simulationen erlauben es, die Wechselwirkung von Magnetfeld und Winden zu studieren: In weitem Abstand vom Stern folgt das Magnetfeld dem Gasstrom und die Feldlinien sind offen. Feldlinien, die nahe dem Äquator aus dem Stern austreten, bleiben immer in der Nähe des Sterns und deshalb geschlossen. Jedoch bleibt das Gas in niedrigen Breiten gefangen, wo es entlang der Feldlinien wieder auf den Stern zurück fällt. Außerhalb der geschlossenen Feldlinien formt sich in der Äquatorebene eine Stromschicht, in der sich Magnetfelder entgegengesetzter Polarität aufheben. Hier bildet sich eine Gasscheibe mit höherer Dichte und niedrigerer Geschwindigkeit als in der Region mit offenen Feldlinien, in denen das Gas in den interstellaren Raum entweicht.

Fortschrittliche Turbulenz-Diagnostik

ISM-Turbulence

Box-Simulation von durch Supernovae getriebener interstellarer Turbulenz.

Bild: AIP/O. Gressel

Im Wesentlichen befinden sich alle astrophysikalischen Strömungen in einem Zustand chaotischer, turbulenter Bewegung. Aufgrund des immensen dynamischen Skalenbereichs erfordert die Modellierung von Himmelsobjekten in ihrer Gesamtheit daher die Entwicklung effektiver “Sub-Grid-Scale“-Modelle. Diese beschreiben Fluidbewegungen auf unaufgelösten Skalen und insbesondere deren Auswirkung auf die großskalige Dynamik (z.B. über Drehimpulstransport, Diffusion und Vermischung chemischer Bestandteile, Induktion von Dynamofeldern, etc.) Die MHD-Gruppe ist führend in der Entwicklung und Anwendung des sogenannten Testfeld-Ansatzes, mit dem sich Turbulenz-Effekte in Strömungen zuverlässig erfassen lassen. Durch die Einführung von räumlich und zeitlich modulierten mittleren Feldern haben wir unseren Ansatz auf den Fall einer neuartigen nicht-lokalen und nicht-instantanen Beziehungen erweitert, die einen erweiterten "Einflussbereich" im Raum und "Gedächtniseffekte" in der Zeit berücksichtigt.

Letzte Aktualisierung: 4. Februar 2021