Nova nach mehr als 2000 Jahren wiederentdeckt

m22.jpg

Illustration der Position der Nova im Kugelsternhaufen M22.

Bild: ESA/Hubble und NASA; Montage: F. Göttgens
29. April 2019 //

Moderne astronomische Aufnahmen wiesen jetzt den Überrest einer Nova-Explosion nach, deren Position mit einer in alten chinesischen Aufzeichnungen beschriebenen Himmelserscheinung übereinstimmt. Die Entdeckung bestätigt damit eine der ältesten astronomischen Beobachtungen außerhalb des Sonnensystems.

Einem europäischen Forscherteam unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) gelang mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile der Nachweis des Überrests einer alten Nova im Kugelsternhaufen Messier 22. Seine Position entspricht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Beobachtung von chinesischen Astronomen von vor über 2000 Jahren: nach Aufzeichnungen in der chinesischen Chronik Han Shu wurde im Jahr 48 v.Chr. in der fraglichen Himmelsregion ein „Gaststern“ gesehen, d.h. ein vorher nicht sichtbarer, beziehungsweise neuer (Nova) Stern, der wieder vom Himmel verschwand.

„Die Position und Helligkeit des Überrests passen zu dem Eintrag aus dem Jahr 48 v.Chr.“, sagt Fabian Göttgens vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen, Erstautor der Studie. Prof. Dr. Martin Roth, Wissenschaftler am AIP, erklärt, warum diese Bestätigung einer alten Messung Jahrtausende später möglich ist: „Astronomische Phänomene erstrecken sich oft über sehr lange Zeiträume — mitunter lassen sich moderne Messungen durch historische Beobachtungen stützen“.  Novae und Supernovae waren chinesischen, arabischen, griechischen und babylonischen Astronominnen und Astronomen schon vor tausenden von Jahren bekannt. Die ältesten chinesischen astronomischen Aufzeichnungen sind sogar 3400 Jahre alt. „Mit modernen, extrem empfindlichen Instrumenten und etwas Glück sind auch weniger starke stellare Ausbrüche noch nach über 2000 Jahren nachweisbar“, ergänzt Dr. Peter Weilbacher vom AIP.

Der Kugelsternhaufen M22 ist einer von rund 150 Kugelsternhaufen, die unsere Milchstraße umkreisen. Er liegt im Sternbild Schütze in Richtung des Zentrums der Milchstraße und besteht aus mehreren hunderttausenden sehr alten Sternen und Doppelsternsystemen. Novae sind Ausbrüche auf der Oberfläche eines Weißen Zwergsterns in einem Doppelsternsystem. Die freigesetzte Energie erhöht die Leuchtkraft um mehrere Größenordnungen, so dass sie für kurze Zeit als „Stern“ von der Erde aus beobachtbar werden können. Das ausgestoßene Material verteilt sich mit hoher Geschwindigkeit und bildet einen leuchtenden Nebel, der mit der Zeit immer mehr ausdünnt.

Das MUSE-Instrument, ein 3D-Spektrograph, wurde unter Beteiligung des AIP gebaut. Dieser teilt das Sternenlicht gleichzeitig in all seine Farben und misst die Helligkeit von Sternen in Abhängigkeit von der Farbe. Damit eignet es sich besonders gut dafür, Nebel zu finden, die häufig in einer bestimmten Farbe leuchten. Die nun entdeckten Überreste der Nova bilden einen rot leuchtenden Nebel aus Wasserstoffgas und anderen Gasen, mit einem Durchmesser von etwa dem 8000-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne. Trotz dieser Größe ist der Nebel relativ leicht. Die neuen Beobachtungen schließen auf eine Masse von 30 Erdmassen.

Hochtechnologie, wie die des MUSE-Instruments, schafft so eine Verbindung zwischen moderner Astronomie und der akribisch dokumentierten Beobachtung der chinesischen Astronomen vor mehr als 2000 Jahren.

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Fabian Göttgens, Peter M. Weilbacher, Martin M. Roth, Stefan Dreizler, Benjamin Giesers, Tim-Oliver Husser, Sebastian Kamann, Jarle Brinchmann, Wolfram Kollatschny, Ana Monreal-Ibero, Kasper B. Schmidt, Martin Wendt, Lutz Wisotzki, und Roland Bacon, “Discovery of an old nova remnant in the Galactic globular cluster M 22,“ Astronomy & Astrophysics (2019).

DOI: https://doi.org/10.1051/0004-6361/201935221

Pressemitteilung der Universität Göttingen

https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=5419

Mehr über Muse

https://www.aip.de/de/research/projects/muse/

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Letzte Aktualisierung: 31. März 2021